Tief durchatmen – oder besser nicht?
„Atme tief durch.“ Ein Hinweis, der in stressigen Momenten meist das Gegenteil bewirkt: Schnappatmung. Ich habe das für Sie ausprobiert, damit Sie es nicht müssen. Mein Fazit: Besser nix sagen.
Mit Kindern gehen die Wellen manchmal hoch: Sie sind laut, werden ermahnt, reagieren nicht. Um diesen Zyklus zu unterbrechen, wäre tiefes Durchatmen (auf beiden Seiten!) hilfreich. Und dennoch ist es paradoxerweise einer der schlechtesten Ratschläge in diesem Moment.
Denken wir zurück an die Finanzkrise: Lehman Brothers gerade pleite, die Märkte stürzen ins Bodenlose. Eine Kundin meldet sich kurzatmig. Ob sie jetzt wohl hören will, dass sie einmal tief durchatmen soll?
Gefühle zuerst, Ratio danach
Die besten Ratschläge verpuffen, wenn wir sie im falschen Moment geben. In der höchsten Erregung – wenn Angst oder Zorn spürbar sind – muss das Gefühl zuerst anerkannt werden: „Du bist zornig.“ Oder, im Fall der Kundin: „Sie machen sich große Sorgen um Ihr Vermögen.“
Damit wird klar, dass wir den Ernst der Situation verstehen. Erst wenn wir in dieselbe Richtung blicken und verständnisvoll nicken, ist der Moment gekommen, gemeinsam tief durchzuatmen und rationale Schritte zu besprechen.
Theorie und Praxis
In den letzten Jahrzehnten habe ich einige Finanzkrisen durchlebt und bin – so denke ich – zu einem guten Begleiter in schwierigen Zeiten geworden. Sie dauern oft Monate, erfordern Durchhaltevermögen und eine besondere Form der Kommunikation.
Ganz anders das plötzlich aufflammende Kinderchaos. Hier habe ich es nur teilweise geschafft, Theorie in Praxis umzusetzen. Die Dynamik ist eine andere, die Ratio schneller weg.
Gut also, dass ich Chief Investment Officer und nicht Chief Kindererziehungs-Officer bin. Und als solcher ist es meine wichtigste Aufgabe, unsere Kundinnen und Kunden durch herausfordernde Zeiten zu führen. Aktuell ist es ruhig an den Finanzmärkten. Doch das ist wie bei den Kindern … es bleibt nie lange still.
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